Der Chor stammt aus der Adenauerzeit. © Björn Hickmann.

 

 

 

Der Freischütz. Carl Maria von Weber.

Oper.                  

Stefan Neubert, Patrick Schlösser. Saarländisches Staatstheater.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 23. Februar 2017.

 

 

Wenn sich jemand fragt, ob er seine Zeit darauf verwenden solle zu lesen, wie der Saarbrücker "Freischütz" herausgekommen sei, ist die Antwort klar: Überspringen! Es lohnt sich nicht! Die Aufführung ist gleichzeitig ambitioniert und antiquiert, also verstiegen. Leckere Teufel aus der Statisterie (man begreift nicht, warum Kaspar und Max für ihre Reize unempfänglich bleiben) rollen grosse Buchstaben auf die nackte Bühne und formen sie während des Vorspiels zum Wort ANGST. Es bleibt bis zum Schluss stehen und erklärt (so meint wohl Bühnenbildner und Regisseur Patrick Schlösser) als hintergründiger Zentralbegriff das Stück. Ihm entgegnet während des Schlusschors die Übertitelungsanlage mit der Buchstabenfolge LIEBE. Damit ist die ambitionierte Seite der Aufführung erschöpfend wiedergegeben.

 

Was dazwischen geschieht, ist antiquiert. Wie zur Adenauerzeit werden Choristen und Solisten in stilisierte Trachten gesteckt und reihenweise aufgestellt. Als Zeichen der Ländlichkeit sind ihre Wollstrümpfe und Wangen rot gefärbt. Einzig Agathe ist blass, denn sie hat Ahnungen. Dank dieser konventionellen Semiotik findet sich jeder in der Saarbrücker Aufführung zurecht. Wenn die Flinte nach oben gerichtet und abgedrückt wird, stürzt eine Vogelattrappe aus dem Schnürboden nieder. Kind hätte seine Freude gehabt. (Kind ist der Name des Librettisten.)

 

Rätselhaft indes, warum die ländlich kostümierten Sänger in der Wolfsschluchtszene den Geisterchor abgeben und warum dazu hohe Flammen aus einem Kessel schlagen. Immerhin antwortet das Publikum auf das Feuer mit raunendem "Ah!" Dabei ist der einzige Lichtblick der Aufführung dem Auge entzogen: Es ist das äusserst präzis spielende Orchester, das die Partitur unter dem Nachdirigat von Stefan Neubert subtil und klangschön ausleuchtet.

 

Wer diese Wohltat zustandebringt, kommt erst ins Blickfeld des Zuschauers, wenn Regisseur und Bühnenbildner Patrick Schlösser am Ende der Oper, wo der Name Gottes ertönt, eine Spiegelfläche hochziehen lässt, in der das Publikum Sänger und Orchester von oben erblickt. Und wie dem Auge des Allmächtigen nichts entgeht, sieht man jetzt in den hell erleuchteten Souffleurkasten, wo die Souffleuse gerade Feierabend macht. Sie schliesst während des Schlusschors das Buch und versenkt es in der Tasche, bevor sie beim Gehen das Licht ausknipst. Mit dieser unfreiwilligen Schlusspointe hat die ambitionierte und antiquierte Produktion endgültig die Sphäre des Verstiegenen erreicht.

Im Hintergrund lauert die Angst ...

... oder das höllische Feuer.

Derweil hat Agathe Ahnungen.

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