Die Tragödie besteht darin, dass niemand verständlich spricht. © Felix Grünschloss.

 

 

 

Hamlet. William Shakespeare.

Schauspiel.                  

Csaba Polgár, Lili Iszák. Badisches Staatstheater Karlsruhe.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 23. Februar 2017.

 

 

Die Tragödie des Dänenprinzen Hamlet am badischen Staatstheater Karlsruhe besteht darin, dass niemand auf der Bühne verständlich spricht ausser dem königlichen Paar: Annette Büschelberger als Gertrud und Heisam Abbas als Claudius. Alle andern Rollen sind artikulatorisch ungepflegt, undeutlich, verhaspelt, verwaschen, vernuschelt in einer Bandbreite zwischen Ärgernis und Katastrophe. Hätte König Ubu der Vorstellung beigewohnt, er hätte die Schauspielleitung abgesetzt. "Haben Sie Bohnen in den Ohnen?!"

 

Textverständlichkeit ist Chefsache. So stellte schon vor hundert Jahren der Theaterkritiker und Begründer der Wiener Germanistik Jakob Minor bei Adolf Sonnenthal (dem Wallenstein, dem Nathan, dem Lear des Burgtheaters) fest: "Selbst die treuen Wiener sagten: 'Er redet wie verschnupft'. Zum Teil hing das ja mit dem Ansatz der Stimme tief hinten am Gaumen zusammen; zum grössten Teil aber war es die Schuld mangelhafter Artikulation. Hier merkte man, dass es im Burgtheater lange Jahre an einem treuen Spiegel gefehlt hat; dieser Spiegel, den auch der grösste Schauspieler nicht entbehren kann, ist der Direktor. Lewinsky und Robert haben bei Laube sehr scharf artikulieren gelernt."

 

Es hilft nichts: Die klassischen drei K's der Schweizer Offiziersausbildung sind, wie "Hamlet" zeigt, auch für die Führung des badischen Staatstheaters unabdingbar: "Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren!" Denn bei aller Intelligenz der Beteiligten: Die Wortdeutlichkeit einer Aufführung kann nur ein aussenstehender "native listener" beurteilen. Ihn hätte die Schauspielleitung aufbieten müssen, um das Unheil abzuwenden, das jetzt eingetreten ist: Die Qualität einer hervorragenden Inszenierung wird durch eine ungenügende Wort-Spiel-Balance vernichtet. Ein Elend. Und noch dazu ein selbstverschuldetes.

 

Dabei hätten Regisseur Csaba Polgár, seine Dramaturgin und künstlerische Mitarbeiterin Ildiko Gáspár und die Bühnenbildnerin Lili Iszák so viel zu sagen! Die Regie hat eine eigenständige Interpretation der "Hamlet"-Geschichte gefunden, die immer wieder zu erhellenden Momenten führt. Aber es genügt nicht, dass man ein Team aus Ungarn einfliegt und dann allein lässt.

 

Körpersprachlich ist das Karlsruher Ensemble auf der Höhe seiner Aufgabe. Das Spiel ist fein und differenziert. Viel überzeugender als bei den Mimen des alten Sprecharientheaters. Wenn jetzt noch Textverständlichkeit dazugekommen wäre, hätte "Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt" ihren Abonnenten in Oslo, Paris, Wien, Berlin, Zürich, Wiesbaden, Dresden, Trubschachen, Iffwil pp. von einem aufsehenerregenden "Hamlet" berichten können.

Bemerkenswert einzig Annette Büschelberger als Gertrud (links).

Die Qualität einer hervorragenden Inszenierung ...

... wird durch eine ungenügende Wort-Spiel-Balance vernichtet.

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