Dr Sudu. Beat Sterchi.

Schauspiel.

Peter Borchardt. Altes Schlachthaus Bern.

Radio DRS-2, Reflexe, 10. Oktober 1988.

 

 

Statistischi Untersuechige hei zeigt, dass Ehepaar, wenn sie zäh Jahr zäme läbe, öppe sächzg Prozent vo ihrem gmeinsame Wortschatz verlore hei. Abgno het d Frequenz vo der Kommunikation (me redt nümm so mängisch mitenand wie früecher), und abgno het ou d Substanz vo de Mitteilige. Wenn me zäme redt, de nume no über banali Alltagsfrage, zum Byspiel: "Hesch ds Auto scho versorget?" oder: "Was chunnt hüt im Fernseh?" Nach zäh Jahr Ehe also isch d Zyt vo de stundelange Gspräch verby, wo me enand d Seel het ufta und wo me no glaubt het, mi chönn der ander i syre Tiefi verstah. Das alles isch jetz verby, u d Sprach isch gschrumpfet uf 40 Prozent.

 

(Wort)

 

So rede sie im "Sudu". Us settigne Schrumpfsätz besteit ds ganze Stück vom Beat Sterchi. Es dünkt eim, ds Thema syg eim vertraut; nid nume us der Ehesituation; sondern ou us der Literatur. Het nid der Chandos-Brief scho 1902 ds Problem vom Sprachzerfall thematisiert? Hei nid der Becket, der Pinter, der Ionesco, der Havel i de 50er u 60er Jahr Ähnlichs mit ihrne Stück uf d Bühni bracht wie jetz äbe, mit bernischer Verspätig, der Beat Sterchi?

 

(Wort)

 

Der Beat Sterchi. Ds Thema vor Sprachlosigkeit hüt uf em Theater z formuliere, isch gwüss nüt Originells. Originell aber isch d Art, wie der Sterchi u ds Theaterensemble dra häre göh. Der Sprachverfall vo de Figure zum Byspiel bim Beckett korreliert mit eme Awachse vo de Regieawysige. Je weniger d Figure uf der Bühni z säge hei, umso präziser und usfüehrlicher isch der Kommentar vom Autor i de Regieawysige.

 

Bim Sterchi aber git's dä Kommentar nid, und ou kener Regieawysige. Sys Theaterstück nämlich besteit nume grad us Schrumpfsätz, won är assoziativ uf Sudelbletter het anenandgreit, u die Sudelblätter hei am Stück der Name gäh: "Dr Sudu". – Dä "Sudu" besteit numen us Sätz. Es isch niene festgleit, wär die Sätz seit u i welere Situation. Die Situatione, wo d Sätz vom Beat Sterchi drus usegwachse sy, die Situatione het de Theaterensemble unter der Leitig vom Peter Borchardt wieder müesse unter d Sätz untere lege und neu erfinde. Ersch dür ds Theater also isch der Entwurf vom Sterchi zur Form cho, wie me se ar Uruffüehrig het chönne gseh. E nächsti Uffüehrig macht de wieder öppis ganz anders druus.

 

(Ton)

 

D Uffüehrig z Bern faht a mit Musik. Also mit em Zämeklang vo Wort u Stimmig, eme Zämeklang, wo d Sänger zämefüehrt zur Einheit. Aber d Harmonie vom Liedli isch konventionell, sy Zämeklang besteit nume uf der üsserliche, formale Äbeni. Ds Liedli zeigt nume der Zämeklang vo de Stimme, nid aber der Zämeklang vo de Seele. Ds Lied vom Müeti wird dermit zur Karikatur. Zur Karikatur vor symbiotische Einheit vo Mueter u Kind, wo d Lüt verlore hei und wo sie Längizyti hei dernah.

 

Die vier Figure uf der Bühni nämlich finde die Einheit nümm, weder dür ihri Sprach no dür ihri Handlige. Sie hocke zwar no zäme am Tisch und ässe Spaghetti, aber jedi Figur het en andere Rhythmus bim Yneschufle, u mi gspürt vo Afang a: Es gyget nid zwüsche dene Lüt.

 

(Wort)

 

So banal wie d Sprach, so banal sy ou d Situatione, wo d Bühni zeigt. D Lüt tüe ässe u tüe schlafe, sie tüe Spaghettiräste zwüsche de Zähn füregrüble, sie hocken uf em Abtritt, sie tüe sich vor em Spiegel Bybeli usdrücke, sie tüe enand abzieh und alege, sie stöh i den Unterhose vorenand – kurz, mir gseh i ne Familie, wo so äng ufenand obe hocket, dass sie keine Tabu-Beryche meh kennt. Was me schüsch vorenand versteckt, das zeige sich hie d Lüt, ohni sich z geniere. Glychzytig aber isch ds Intime, wo sie enand zeige, nid ds Intime vo ihrer Seel, es isch nume ds Intime vo ihrem Genital- und Fäkal-Berych.

 

I der Uffüehrig vo Beat Sterchis "Sudu" gseh mir also vier Persone, wo sich alles zeige, u jetz, wo mir alles vo ne gseh, merke mir, dass sie enand nüt z zeige hei. D Sprach vo de Gebärde isch glych läär wie d Sprach vo de Wort.

 

(Wort)

 

O wenn me enand nüt me z säge het, es wird immer no gredt. Sätz sy ja no da, mi vernimmt immer no Wort. Aber i dene Sätz drücke sich nümme Persone us, sondern mir vernähme drin öppis Fremds, öppis Allgemeins. Grad will die Sätz niemerem ghöre, redt drin üsi Epoche vor sich häre. Mir ghöre ds Allgemeine rede, will ds Individuelle usglöscht isch, u mir merke, wie banal u wie bünzlig u wie hilflos üsi Zyt isch.

 

Drum isch am Beat Sterchi sy "Sudu" ou meh als eifach e bärndütschi Variante vom Sprachproblem. Es isch der Usdruck von ere ganz konkrete historische Situation: Bern 1988. U jede, wo häregeit u i dä Spiegel luegt, muess zuegä: Ja, das kennen i o, so sy mir. Und will mir alli irgendwodüre so sy, so banal, so bünzlig u so hilflos, stellt üs ds Stück i Frag. Was macht de no z Bern 1988 mini Individualität us, wär bi de eigentlich ig?

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