Der Untertan. Heinrich Mann.
Romanadaptation von Alexander Eisenach.
Alexander Eisenach. Residenztheater München.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 11. Dezember 2025.
> "Der Untertan", adaptiert und inszeniert von Hausregisseur Alexander Eisenach, funktioniert nicht. <
Heinrich Manns Roman beschreibt die Denkmechanismen des Wilhelminismus. Die Aufführung ergänzt sie mit den Klischees der Gegenwart.
Alexander Eisenach: Ich fand es interessant, dass Diederich Hessling [der Untertan] so viele Züge von dem aufweist, was man heute unter toxischer Männlichkeit versteht, der [sic!] den antifeministischen, Anti-LGTBQIA-Diskurs bestimmt. Also einerseits das gekränkte dominierende Männlichkeitsgehabe und anderseits die damit eng verbundene Angst vor allem Weiblichen. Das Bemerkenswerte am "Untertan" ist, dass Heinrich Mann hier die psychische Verformung von Kindern und jungen Männern als Grundvoraussetzung dafür aufzeigt, dass Systeme wie der Autoritarismus oder Faschismus überhaupt funktionieren können.
Michael Billenkamp (Dramaturg): Du wolltest dieses eindeutige Patriarchat bewusst nicht bedienen, sondern lässt alle Figuren ausser Hessling von Frauen spielen. Warum diese Entscheidung?
Alexander Eisenach: Gerade weil Heinrich Mann hier das Porträt eines auf patriarchalen Strukturen basierenden Autoritarismus entwirft, indem jegliche Herrschaft von den Männern ausgeht, wollte ich mit der Besetzung bewusst auf das fehlende weibliche Element darin anspielen. Ausserdem will ich nicht überkommene Verhaltensmuster reproduzieren, die zeigen, dass Männer grundsätzlich das Sagen haben und die Frauen von ihnen dominiert werden. Wir haben dieses Machtgefüge umgedreht und all die darauf abzielenden Texte den Frauen gegeben, um sie auch anders hörbar zu machen. Weil es natürlich etwas ganz anderes ist, einen toxisch-maskulinen Inhalt von einer Frau zu hören, denn sie wird als Sprecherin zugleich zur Adressatin des Textes, zu derjenigen, die mit diesen Worten ausgestossen und abgestossen werden soll. Dadurch wird uns hoffentlich wieder bewusst, was sich in den letzten hundert Jahren gesellschaftlich verändert hat, und was bestimmte Kräfte gerade wieder versuchen, rückgängig zu machen.
Aber ach, "Der Untertan", adaptiert und inszeniert von Hausregisseur Alexander Eisenach, funktioniert nicht. Heinrich Manns Roman beschreibt die Denkmechanismen des Wilhelminismus. Und die Aufführung ergänzt sie mit den Klischees der Gegenwart.
Hugues Gall (vormaliger Direktor der Opernhäuser von Genf und Paris):
Eine Produktion mag noch so schlecht sein, es finden sich immer ein paar Kritiker, die sie gut finden.
Süddeutsche Zeitung:
Schule, Muttergeplänkel, Diederich und die erste Liebe, Incel-Männer-Dialog, Burschenschaftsbesäufnis, vieles kommt, greift nahtlos ineinander. Das geschieht atemlos, kurzweilig, immer was geboten, immer ein Spass. "Der Untertan" ist ein wilder Bilderrausch ohne anschliessenden Grübelkater.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt (2016):
Es ist ein Zeichen für die Re-Ideologisierung unserer Zeit, dass immer mehr Stücke auftauchen, gegen die man nichts haben darf, weil sie "das richtige Bewusstsein" haben, und dieses "richtige Bewusstsein" entzieht sie der Kritik. Doch eine gute Gesinnung macht noch lange kein gutes Theater.
Die Heimsuchung des toxischen Mannes.
