Der Boanlkramer holt den Kaspar. © Sandra Then.

 
 

 

Gschichtn vom Brandner Kaspar. Franz Xaver Kroetz.

Volksstück in vier Akten.

Philipp Stölzl, Michael Gumpinger, Simon Wimmer. Residenztheater München.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 11. Dezember 2025.

 

> Seit zwanzig Jahren zeichnet Philipp Stölzl gleichwertig für Bühnenbild und Regie. Man merkt es seinen Inszenierungen an. Nicht nur zeigen sie einen extra feinen Schliff, nicht nur haben sie eine beeindruckende Einheitlichkeit, sondern stets herrscht in ihnen eine eigentümliche Stille, selbst wenn es Musik dazu gibt (diesmal von Michael Gumpinger). Mit dieser Stille steht das Bühnengeschehen vor der Ewigkeit (für Lateiner: sub specie aeternitatis). Und aus dieser Dimension kommt Stölzls Kunst. Auch in den "Gschichtn vom Brandner Kaspar". <

 

Franz Xaver Kroetz hat im Auftrag des Bayerischen Staatsschauspiels die Erzählung zum vieraktigen Volksstück ausgestaltet, die Franz Wolffgang Ritter von Kobell, Professor der Mineralogie an der Universität München, in den "Fliegenden Blättern" von 1871 veröffentlicht hat:

 

Der Kasper sagt: "Was geits, was willst?"

 

Na der ander: "Kasper, i bin der Boanlkramer und ho di fragn wolln, ob d' net ebba mit mir geh willst?"

 

"So? Der Boanlkramer bist, na Bruder, i mag nit mitgeh, gfallt mir no ganz guat auf der Welt."

 

"Denkt hab i ma's" sagt der Boanlkramer, "aber holn muass i di do amal, was moast ebber in Frühjahr?"

 

"Waar nit aus in Fruajahr, wo der Ho'falz is und der Schnepfastrich und die kloan Vögerln am schönsten singa, na, dees war ma zwider."

 

"Oder in Summa?"

 

"Nix Summa, da hon i mit der Rehbirsch Arbet und is aa z'hoasss."

 

"Oder in Hirgscht?"

 

"Ja, was fallt dir denn ei, ha narret, soll i d Hirschbrunft hintlassen, und die Klopfeter und 's Oktoberschiessn, waar nit aus!"

 

"No also, nacher in Winter?"

 

"Da mag i aa nit, schau 's Fuchspassen und 's Moderausjagn is mei extragi Freud und is in Winter aa z' kalt."

 

"Ja, willst denn du ewi lehn? Dees toats nit, Kasper."

 

Der Dialog entfaltet eine existentielle Situation. Der Tod klopft an, und der Mensch will ihm nicht folgen. In dieser Form stellt die "G'schicht vom Brandner Kasper" die Frage nach dem Ende des Lebens und dem Übergang in die Ewigkeit.

 

Ohne den geringsten Anhauch von Überheblichkeit erfindet Philipp Stölzl am Münchner Residenztheater für den "Brandner Kaspar" eine Bildfolge, bei der Innigkeit, Ergebenheit und Humor auf wundersame Weise ineinander verschmelzen. Die Inszenierung spielt mit dem Grauen, das wir beim Gedanken an den Tod verspüren, und wählt dafür den naiven Stil der Bauernmalerei. Fein werden die Züge ins Bild gesetzt. Und in der sensiblen Bemessung der Pausen erweist sich der Meister. Fingerspitzengefühl von der höchsten Spielintelligenz.

 

Im vierten Akt bringt Simon Wimmers Video den Höhepunkt: Der Boanlkramer setzt sich gemütlich zum Kaspar aufs Bett, und dann heben die beiden von der Erde ab zu einer schwindelnden Fahrt durch Meer und Hölle bis in den Himmel, von dem der Alte nicht mehr zurückkehren mag:

 

I bleib da und will nix mehr wissen von der Welt drunt und sag Herr vergelts Gott tausendmal, dass ma die Gnad worn is, dass i da her kemma bi.

 

Das Spiel von Leben und Tod mündet in die Erkenntnis: "Siehe, es war gut so." Gerade heute, am Nikolaustag, vermerkt die "Süddeutsche Zeitung" auf der Titelseite: "Alle sind so müde. In dieser krisengeschüttelten Zeit kämpfen viele gegen ein Gefühl der Erschöpfung." Wie gut ist es da, an den "Gschichtn vom Brandner Kaspar" Halt finden zu können! Und der Kritiker aus Bümpliz und der Welt schreibt ins Gästebuch:

 

Lieber Andreas Beck, lieber Franz Xaver Kroetz, lieber Philipp Stölzl, lieber Simon Wimmer, lieber Felix von Manteuffel (Kaspar), lieber Florian von Manteuffel (Boanlkramer): Vergelts Gott tausendmal, dass i da her kemma bi.

Am Boden. 

Aufm Berg.

Im Himmel.