Das ist der Punsch der Pünsche! © Joel Schweizer.

 

 

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch. Michael Ende.

Schauspiel.

Olivier Keller, Tatjana Kautsch, Vanessa Valk. Theater Orchester Biel Solothurn.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 24. Oktober 2025.

 

> Das Stück ist stark. Unumwunden wie ein Kind spricht es aus, was Sache ist. Die Erwachsenen mögen solche Ehrlichkeit nicht. "Pssst!" flüstern sie und bewegen dazu die Hände. Nicht ohne Grund: "Klimakatastrophe", "Artensterben" und "kapitalistische Gier" wecken im Schweizer Volk den stärksten Abscheu. Doch nun bringt das Schauspiel von Biel/Solothurn ausgerechnet diese Reizthemen auf die Bühne ... für Kinder ab acht Jahren. Darf man das überhaupt? Ist das nicht schon Indoktrination? Liebe SVP, da muss doch jemand zum Rechten schauen! Andererseits sind alle bei TOBS! so beflissen, so wohlgesinnt, so ehrlich, dass man ihnen nicht böse sein kann. Denn immer noch gilt: "Kindermund tut Wahrheit kund." <

 

Im Märchen gibt es gute und böse Geister. Sie kommen uns zuhilfe: die guten Geister den guten Menschen; die bösen den bösen. Mit übernatürlichen Kräften vollziehen sie Wunder: heilsame, welche die Welt ins Lot bringen, und verhängnisvolle, welche die Welt in den Abgrund stossen. Die Machtlosen sind diesen Vorgängen ausgeliefert. Zu ihnen gehören die Kinder, die Armen und die Tiere.

 

Michael Ende, der grosse, menschenfreundliche Märchenerzähler, verwendet für seinen "satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch" einen Raben und eine Katze. Sie sollen die Menschen ausspionieren, welche von der Konferenz der Tiere verdächtigt werden, schuld am Sterben der Fische, am Eingehen der Insekten und Bienen, am Schwinden der Arten, am Verdorren der Wälder und Bäume, kurz: am Untergang der Welt zu sein. Der Roman erschien 1989. Der Autor war damals sechzig und hatte noch fünf Jahre zu leben, bevor er seinem Magenkrebs erlag.

 

Auf der Bühne von Theater Orchester Biel Solothurn verkörpern Anna Blumer den Raben und Gabriel Noah Maurer die Katze mit liebenswürdiger Zurückhaltung. Ausstatterin Tatjana Kautsch umreisst die Silhouette der Beteiligten so leicht, als hätte sie noch den Schauspieler, Kabarettisten und Zeichner Kaspar Fischer (1938–2000) gekannt.

 

Auch Regisseur Oliver Keller vermeidet das Auftrumpfen und realisiert die Vorstellung durch einen Stil des Hintupfens. So umschifft das Theater den Vorwurf des Rechthaberischen, und weil es sympathisch ist, kann man ihm nicht böse sein, obwohl es doch die "Klimakatastrophe", das "Artensterben" und die "kapitalistische Gier" vors Auge führt, welche dem Schweizer Volk, statistisch gesehen, am meisten zum Hals heraushängen. In seiner überwiegenden Mehrzahl reagiert es auf diese Reizthemen mit Hautausschlag und Schaum auf dem Mund.

 

Die Gesandten von Himmel und Hölle treten in Gestalt von Puppen auf. Vanessa Valk hat sie geformt, und Janna Mohr führt sie zart und gleichzeitig ausdrucksstark an Fäden und Stäben. Ihre Erscheinung durchzieht das Theaterhaus mit leichtem, liebenswürdigem Humor.

 

Ebenso liebenswürdig sind die beiden Bösen gezeichnet: das Kapital und die Wissenschaft. Fabian Müller verwirklicht den Forscher als zerstreuten Tüftelnerd. Er hat wohl den Auftrag, die Welt in den Abgrund zu treiben, vergisst ihn aber über seinen zweckfreien Spielereien. Am Anfang der Vorstellung erprobt er gerade einen Zimmerzeppelin in Fischform. Dass er die Katze mit Pillen sediert, macht ihn weniger zum Tierquäler als zum egoistischen Kindskopf.

 

Auch das Kapital erscheint bei Günter Baumann mit Blingbling und gespreizten Fingern eher naiv als hinterhältig. Dem Teufel hat es sich, wie die Wissenschaft, aus Gedankenlosigkeit und Erfolgsstreben verschrieben. Und das Publikum lernt: "Du musst über dich hinausdenken!" Altersempfehlung von Theater Orchester Biel Solothurn: 8+. Bravo!

Spielerei mit dem Zimmerzeppelin.

Verbrüderung von Wissenschaft und Kapital. 

Lösungssuche im Tier- und Geisterreich.