Le Roi se meurt. Eugène Ionesco.
Schauspiel.
Jean Lambert-wild. La Coopérative 326 im Théâtre de l'Epée de Bois, Paris.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 11. Oktober 2025.
> Letzten Monat schritten Xi Jinping (72) und Wladimir Putin (73) in Peking nebeneinander über den roten Teppich. Einem Video zufolge, das "The Guardian" veröffentlichte, äusserte Putin, dass "menschliche Organe ständig transplantiert werden können, so dass die Menschen jünger und vielleicht sogar unsterblich werden können". "Ja", erwiderte Xi. "Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten die Menschen 150 Jahre alt werden." – Auch in Eugène Ionescos absurder Farce aus dem Jahr 1962 träumt ein König davon, dass die Sonne auf und nieder geht, weil er es befiehlt, dass es Meer und Erde gibt, weil er sie will, und dass er erst dann sterben wird, wenn er es anordnet: "Aber jetzt noch nicht. Es ist noch zu früh." <
Zusammen mit dem Leibarzt konfrontiert die Königin den Gatten mit dem Unausweichlichen: Das Reich geht zugrund. Der Palast zerbröckelt. Die Armee ist auf ein paar Soldaten geschrumpft. Die Herrschaft steht vor dem Ende: "In zwei Stunden, wenn die Vorstellung aus ist, bist du tot!"
Auf diese unangenehme Tatsache reagiert der König mit Wegblicken, Abstreiten, Trotz, Gegenangriffen auf persönlicher Ebene. Aber es nützt nichts. Schon gehorchen ihm die Glieder, dann die Diener nicht mehr. Am Ende muss er, wie alle Geschöpfe, das Reich des Zeitlichen verlassen.
Diesen Verlauf, wiedergegeben von unzähligen Totentänzen, allen Sterblichen bekannt, stellt Jean Lambert-wild mit seiner Coopérative 326 in eine Zirkusdekoration. Das Stück verlangt's zwar nicht, aber in diesem Milieu kennt er sich aus. Er ist von Berufs wegen ein weisser Clown, und die übrigen sind Artisten. Ein schwarz-weiss gesprenkeltes Hausschwein rollt den roten Teppich aus. Der Darsteller des Leibarzts bewegt sich auf Stelzen.
Fürs Auge ist das fünf Minuten lang vergnüglich, doch dann beginnt sich der Geist zu langweilen. Niemand von der Truppe kann verständlich reden ausser dem Darsteller des Königs Jean Lambert-wild. Neben seiner Rolle als Monarch fungiert er auch als Regisseur und Bühnenbildner der Produktion sowie als Direktor der zirzensischen Familie, die juristisch als Genossenschaft organisiert ist.
Auf den Schultern der Genossenschafter ruht jetzt aber eine grosse Last. Sie haben für Paris dreissig Vorstellungen angesetzt, doch an der sechsten ist der Saal schon zu achtzig Prozent leer. Wer dem faden Spektakel beigewohnt hat, empfiehlt es nicht weiter. Für die Truppe indessen heisst es noch einen vollen Monat lang: "Lache, Bajazzo!"
Der Leibarzt auf Stelzen.
Die Königin im Reifrock.
Der Hof im Zirkus.
