Die Walküre. Richard Wagner.

Armin Jordan, Stein Winge. Grand Théâtre de Genève.

Radio DRS-2, Reflexe, 9. September 1987.

 

 

[Abnahme der Ansage.] Ja, me cha sich die Frag scho stelle, bi so re alte Schwarte, wo eim it ihrne ygängige, vertraute, Motiv ds Ohr chutzelet. Und wenn d Genfer Uffüehrig nume ei "Walküre" näb hundert andere wär gsy, de bruchti me uf die Repertoire-Opere tatsächlich nid yzgah. Aber ds Grand Théâtre het en Inszenierig botte, wo der Rahme vom landläufige Mass sprengt. Sie isch düregschaffet bis i ds letzte; agfange bir Komposition vo de Bilder über d Dekorationselement, wo immer dä subtil Punkt zwüsche Realismus und Symbolismus troffe hei, düregschaffet de aber ou im Ysatz vom Liecht und i der Personenregie, wo bis uf d Füehrig vom Augenspiel gangen isch. Aber bi aller Gnauigkeit isch die Inszenierig ou wieder eso locker und souverän mit ihrem Material umgange, dass sie neui, eigeti Lösige für die alti Schwarte gfunde het.

 

Dihr chöit nech vorstelle, dass en Inszenierig, wo so guet gmacht isch und so neuartig würkt, e Herusforderig isch für jede, wo se gseht, will der Geist vom Zueschauer nümm i Rueh gla wird, sondern ständig zwunge wird zum Mitdänke, zum Rätsle, zum Entschlüssle, zum Merken u zum Gspüre. Uf die ungwahneti Herusforderig het ds Genfer Premierenpublikum (wie allwäg mängs anders Publikum ou) mit eme Sturm vo entrüstete Buhruefe reagiert. D Lüt sy glade gsy; sie hei gkochet. Für einisch het en Uffüehrig dä lethargisch Silbersee, wo schüsch albe z Genf im Sperrsitz plätteret, ufgwüehlt bis a Grund.

 

U d Press, vor Inszenierig nid minder überforderet und irritiert, het vom ene Dürenand, eme "bric-à-brac" gredt, von ere "Walkyrie au bazar". Der Fächer vo Bezüg, aber ou vo Kontraste, wo d Uffüehrig het ufta, isch für die meiste z wyt gspannet gsy, sie hei ds Ganze, wo sie gseh hei, nümm zumene Sinn chönne zämebringe.

 

Der Regisseur, wo die Herusforderig, die Dänk-Provokation het botte, heisst Stein Winge. Är chunnt us Norwegen, isnzeniert ds erste Mal im dütsch-französische Kulturruum. Är het bi üs nüt z verliere u cha sich's drum leiste, syni persönlichi Vision z gäh u die alti Gschicht vor Walküre mit Theatermittel vo hüt z verzelle.

 

Der Stein Winge, das seit er im Programmheft, geit dervo us, dass d "Walküre" üsi Zyt bsunders ageit und dass der Untergang vo de germanische Götter der Untergang vo üsere Zivilisation präfiguriert. Uf der andere Syte isch ihm ou klar, dass das Präfiguriere nüt anders isch als es Modell, es Denkspiel mit theatralische Mittel und Musikbegleitig. Und drum zeigt er d "Walküre" als Horror-Show, mit kreisende Schynwerferkegel und Liechtorgele wie im Varitété.

 

Aber will üs die Show öppis ageit, vor allem im Füürzauber, wo der Brand vor Walhalla vorusnimmt und müglicherwys üsen eiget atomar Holocaust, drum erfasse d Liechtflamme am Schluss nid nume d Bühni, sondern ou der ganz Saal. Und mir, wo bis jetz gäng nume Zueschauer gsy sy, Zueschauer ir Wagner-Opere, aber ou Zueschauer ir Weltgschicht, mir chöi jetz nümm drusschlüfe, mir brönnen ou. Mitgegangen, mitgehangen, seit d Uffüehrig.

 

Wagner als Theaterspektakel, wo plötzlich umschlaht i Würklichkeit, das isch die einti Äbeni vor Inszenierig. Als zwöiti Äbeni isch dry yne verwobe der Zauber vor elementare mönschliche Wahrheit, u mir begegne uf dere zwöite Äbeni üsere eigete Welt.

 

Der 1. Akt spielt im ene Kriegslager mit Tarnnetz und Erdbunker, mit Kochkisten u Gamellen, und är weckt, bi mir ömel, traumatischi Assoziatione a d Rekrutenschuel, a Vietnamfilme und a d Tagesschau. Wär i dere Ändzyt no Mönsch blieben isch wie Siegmund u Sieglinde, dä flatteret i däm Schlachtfeld deszume wie ne ängstliche, verschreckte Vogel. – Der 2. Akt spielt ir e Art Luxus-Suite vo de "leading hotels of the world", u die, wo vor Ufrüstig no profitiere, löh sich warms Wasser i d Badwanne, u die düregstylti Industriellengattin tuet sich es Whysekli yschänke. – Im 3. Akt steit der Wotan vor em eigete Fiasko, u da passiert d Begegnig vom Gott mit syre Tochter uf der lääre, schwarze Bühni, sie geit hintere bis zur Brandmur. Nüt lenkt ab vo däm elegische, nachdenkliche Dialog, wo die beide füehre. U mir gseh: Sie sy am Änd. U das Änd isch ds Ziel vor Handlig u ds Ziel vor Wältgschicht. U so stöh sie de ou, der Wotan u d Brünhilde, ohni's z merke, uf ere Zielschybe für Flugzügbomber, d Flugzügbombe vom Schicksal, vo de Norne. – Der Weg vor Inszenierig geit also vor Irritation über e Schrecke zur Identifikation.

 

Und a däm Identifikationsprozess schaffet d Musik mit, wie se der Armin Jordan dirigiert. Immer wieder haltet är ds Orchester zrügg. Är wott keni knallige Usbrüch, keni bombastischen Effekte. Sondern er strycht d Kantabilität vor Partitur use. Gsuecht isch nid d Parforce-Leistig vo de Sänger, nid ds Imponiergehabe vo de stimmliche Potenzwunder, sondern e Gsang, wo vo inne usechunnt u i dene Götter u Halbgötter die mönschlichi Syte zum Usdruck bringt. U d Sänger, wo alli Bayreuth-Nveau und zum Teil ou Bayreuth-Erfahrig hei, zieh mit seltniger Homogenität die Konzeption düre, so dass ou vom musikalische här die Uffüehrig düregschaffet isch wie sälte eini.

 

Glychzytig isch die musikalischi Interpretation ou kongruent zur Inszenierig, wo ihrersits e Differenzierig vor Darstellerfüehrig härebringt, wie me se schüsch nume vom Schauspiel her kennt. Nid alli Sänger chöi d Opereklischee glych guet uf der Syte la. Eine sticht da eidütig use, und är isch ou d Entdeckig vom Abe: der jung Amerikaner Warren Elsworth als Siegmund. No nie han i e Sänger so locker gseh spiele, so presänt, no nie het eine ds Instrument vo sym Körper so virtuos ygsetzt. (Die meiste Sänger hei ja ke Körper, numen es Gurgeli.) Är aber, der Warren Elsworth, zeigt ds Elend u d Not, wenn er mit grossen Auge der Arm vor ds Gsicht leit, für sich z schütze, und wenn er sy schön Kopf uf em länge, schlanke Hals dräit und wie nes verwundets Tier probiert, ne a d Schultere vor Sieglinde z schmiege, de sy das theatralischi Sternstunde, wo me nümm vergisst. Däm Spiel het sich ou niemer chönne entzieh, sogar die welschi Press het registriert, dass me da eme neue Stil vo Operetheater begegnet isch: "Sieglinde, passionément sensuelle, et Sigmund, l'enfant-loup, s'aiment comme il est rare de voir deux êtres s'aimer sur une scène d'opéra. Voilà l'originalité, voilà la force de ce spectacle à nul autre pareil." Das seit d Press, und es isch tatsächlich unverglychlich, me muess es ganz eifach gseh.

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