Schön - aber langweilig. 

 

 

Armide. Christoph Willibald Gluck.

Oper.

Christophe Rousset, Lilo Baur, Bruno de Lavenière, Alain Blanchot. Opéra Comique, Paris.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 10. November 2022.

 

> In der Produktion der Opéra Comique de Paris bedeutet "Armide" von Christoph Willibald Gluck nur eins: Langeweile. Das Feuilleton des "Nouveau Quotidien" (der Vorgängerzeitung von "Le Temps") hätte verzichtet, darüber zu schreiben: "Wir berichten nur von Produktionen, für die es sich lohnt, von Lausanne nach Genf (oder umgekehrt) zu fahren." Für "Armide" aber lohnt es sich nicht, die Metro vom 12. ins 2. Arrondisse­ment zu nehmen. <

 

Den gleichen Kurs wie das Feuilleton des "Nouveau Quotidien" fuhr auch das Kulturjournal "Reflexe" (die Vorgängersendung von "Kultur kompakt") des Schweizer Radios: "Für Durchschnittsproduktionen fehlt uns die Sendezeit. Die überlassen wir der Berichterstattung durch die Lokalpresse und beschränken uns auf das, was durch Qualität heraussticht oder durch die Namen von Beteiligten allgemeines Interesse beansprucht." "Armide"? Sein lassen!

 

Die Krux bei dieser Produktion ist, dass es ihr nicht gelingt, klar zu machen, warum die Oper überhaupt gespielt werden musste. Die Sänger der Hauptrollen (Véronique Gens und Ian Bostridge [letzterer mit Artikulationsproblemen wegen der französischen Sprache]) sind anständig, aber nicht überragend, das Orchester (Les Talens Lyriques) wohl mit historischen Instrumenten bestückt, aber pauschal und konzeptionslos dirigiert (Christophe Rousset), der Chor (Les éléments) eher unterdurchschnittlich, Bühnenbild (Bruno de Lavenière), Kostüme (Alain Blanchot) und Regie (Lilo Baur) überholt und jammervoll uninspiriert.

 

In der schlaffen Konventionalität aber liegt, was "Armide" angeht, auch das Verbrechen. Denn wovon spricht die Oper? "Make war, not love!" Für Monsieur le Chevalier de Glück (wie er sich schrieb) liegt das Heldentum im Liebesverzicht zugunsten des kriegerischen Ruhms: Auch wenn es schwer fällt, das Opfer muss sein. Selbstüberwindung und Resignation für das Höhere (sprich: den Befehl des Generals) sind edle militärische Tugenden. Ihnen gebührt unsere Verehrung, sagt die Oper, und die Produktion spricht's nach. In der Opéra Comique spendet das bourgeoise Paris dazu seinen Beifall.

 

Und die Musik? Dass Gluck langweilig ist, weiss man seit 1750. 1870 sagte Eduard Hanslick, er gebe alle 93 Werke des Chevaliers für eine einzige Mozart-Oper.

 

Bis heute hat ihm keiner widersprochen.

 

Fürs Auge inzeniert.

Aber das Bild allein ... 

... trägt nicht. 

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